Albert Speer in der Bundesrepublik. Vom Umgang mit deutscher Vergangenheit
Die Ausstellung des Dokumentationszentrums Reichsparteitagsgelände macht es sich zur Aufgabe, die Speer-Legende vom verführten unwissenden Technokraten und damit auch den Umgang der Deutschen mit ihrer Vergangenheit gleichsam kriminalistisch sichtbar werden zu lassen. Auf Basis des aktuellen Forschungsstands – allein in den letzten Jahren sind mehrere Dissertationen und Aufsätze zum Thema erschienen – zeigt sie, wie Speer als gefragter Zeitzeuge mit seinen Geschichten über Jahrzehnte die historischen Fakten überdecken konnte. Damit einher geht die Frage, warum diese Legende in der Bundesrepublik so lange und bei so vielen Menschen Resonanz fand – selbst dann noch, als Historiker viele Erzählungen längst mit Fakten aus den Archiven widerlegt hatten.
Als sich am 1. Oktober 1966 um genau 00:00 Uhr die Tore des Gefängnisses in Berlin-Spandau öffneten, warteten über tausend Schaulustige auf Albert Speer und Baldur von Schirach, die ihre zwanzigjährige Haftstrafe abgesessen hatten. Mikrophone und Kameras aus aller Welt richteten sich vor allem auf Speer, der nun für viele Jahre erneut ins Rampenlicht der Öffentlichkeit rückte. Albert Speer war während des Nationalsozialismus als erster Architekt des Reiches verantwortlich für Großprojekte wie das Reichsparteitagsgelände in Nürnberg und die Umgestaltung Berlins. In kürzester Zeit zählte er zu Hitlers engsten Vertrauten, 1942 wurde er Rüstungsminister. 1946 verurteilten ihn die Alliierten im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess zu zwanzig Jahren Haft.
Nach seiner Entlassung 1966 begann Albert Speers dritte Karriere als gefeierter und scheinbar geläuterter Zeitzeuge und Autor. Durch zahlreiche Fernsehinterviews, unzählige Artikel in Illustrierten und Buchveröffentlichungen konnte Speer seine erstmals 1945 in Nürnberg entworfene, dann immer weiter ausformulierte Legende in die Öffentlichkeit tragen: Er – und damit auch die meisten Deutschen – hätten von den Verbrechen des Nationalsozialismus nichts gewusst und seien, von der Aura Hitlers verführt, in den Krieg unverschuldet hineingeraten. Vor allem vom systematischen Mord an den europäischen Juden habe man keine Kenntnis gehabt.
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