Die Juden in Böhmen. Zwischen Tschechen und Deutschen (1848–1914)
Seit ihrer Gleichstellung mit der christlichen Bevölkerung im Jahre 1867 erstrebten die Juden in den böhmischen Ländern, die Teil des Habsburger Reiches waren, die Integration in die deutsche Kultur und Gesellschaft. Die prodeutsche Orientierung war auf die Reformen des Habsburger Kaisers Joseph II. Ende des 18. Jahrhunderts zurückzuführen. Sie entsprach aber auch den Interessen der Juden selbst, denen sie den Zugang zu höherer Bildung und beruflichem Aufstieg eröffnete.
Der Aufschwung und die wachsenden Ambitionen der tschechischen Nationalbewegung ließen sie aber als Parteigänger für den Rivalen und Feind der Tschechen erscheinen. Infolgedessen nahm die tschechische Judenkritik immer mehr zu und schlug gegen Ende des 19. Jahrhunderts schließlich in offenen Antisemitismus um.
Unglücklicherweise verbreitete sich der Judenhass zu der Zeit auch unter den Deutschen, so dass die Juden gleichsam zwischen zwei Feuer gerieten: Sie wurden von beiden Nationalgesellschaften ausgegrenzt, mit Boykotten belegt und auch physisch attackiert und ausgeraubt. Diese Eruption des Antisemitismus hatte die Ausbreitung der jüdischen Nationalbewegung, des Zionismus, auch in Böhmen zur Folge.
Dr. Ivo Bock war langjähriger wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsstelle Osteuropa an der Uni Bremen.
Deutsch-Israelische Gesellschaft Bremen/Unterweser e.V. E-Mail: hermann.kuhn@brainlift.de