„Kwaheri Askari – Auf Wiedersehen, Askari“. Der Junge aus der Lettow-Mappe
Ein imposanter Elefant aus Backstein wartet in Bremen auf die Rückkehr nach Afrika. Das ehemalige Reichskolonialehrenmal formulierte in der Weimarer Republik einen Anspruch Deutschlands auf 'seine' Kolonien.
Mit der Figur wollte Bildhauer Fritz Behn zunächst nur Größe und Überlegenheit deutscher Kolonialherrschaft idealisieren. Als sein Entwurf aus der Kaiserzeit 1932 endlich zur Ausführung kam, war das Kolonialreich zwar längst Vergangenheit. Doch unter dem Einfluß des Nationalsozialismus lebten die alten Ansprüche gerade wieder neu auf. Bremen war eine 'Stadt der Kolonien' und bewarb sich darum, den Titel auch offiziell zu erringen. Wie kein anderes afrikanisches Tier stellte der Elefant die Verbundenheit mit Afrika ganz unmittelbar vor Augen. Nach dem Ersten Weltkrieg konnte das Denkmal mit noch größerer Bedeutung aufgeladen werden.
In einem eigens eingerichteten Raum memorierte ein Totenbuch 1490 Namen von 'Gefallenen'. Soldaten der Kaiserlichen 'Schutztruppe', die zwischen 1914 und 1918 in den Kolonien verstorben waren, ruhten in der sogenannten Krypta unter dem Elefanten hochsymbolisch in afrikanischer Erde und wurden zu Märtyrern stilisiert – jedes gelassene Leben ein Zeugnis für den „unverjährten und unverjährbaren“ Anspruch Deutschlands auf seinen Kolonialbesitz, wie Bürgermeister Theodor Spitta anlässlich der Einweihung 1932 zu verstehen gab. In der Weimarer Republik appellierte der monumentale 'Dickhäuter' vor allem an Ausdauer und „nationales Beharrungsvermögen“ (Übersee- und Kolonialzeitung). 1990 wurde das problematische Kriegerdenkmal von der Hansestadt Bremen in das erste Anti-Kolonial-Denkmal der Bundesrepublik Deutschland umgewidmet. Im Nelson Mandela-Park mahnt der Elefant seither an den Terror und das Unrecht deutscher Kolonialherrschaft. Auf Einladung der Heinrich-Böll-Stiftung rückt Anja Seelke in der ehemaligen Kultstätte ‚weißer’ Kolonialoffiziere am Sonntag, den 5. Mai 2024 um 11 Uhr, den Kriegsdienst ‚schwarzer’ Kolonialsoldaten in den Blick.
Mustapha bin Mabruk hat unter General von Lettow-Vorbeck den Feldzug in der ehemaligen Kolonie Deutsch-Ostafrika mitgemacht. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Achtjährige zum perfekten Untertan und idealen kolonialen Soldaten verklärt, der sich angeblich nichts sehnlicher wünsche, als die Rückkehr seiner deutschen Herren. Die 'Treue der Askari' wurde in der Weimarer Republik zum Politikmittel gemacht. Von Historikern längst als Propaganda entlarvt, hält sich die „Legende vom deutschen Kolonialidyll“ (Ralph Giordano) hartnäckig bis in die Gegenwart. Kunsthistoriker erklärten Mustaphas Bild 2018 für „frei von jeder kolonialistischen Sichtweise“ (Bassenge). Das nahm Anja Seelke zum Ausgangspunkt einer Spurensuche.
Ihre 'Lesung vor Porträts' erzählt die Geschichte hinter dem Gesicht allein anhand historischer Quellen und neuerer Forschungsergebnisse. Mit einem eigenen Bild von Mustapha setzt die Malerin auf eine andere Art des Sehens – ein Beitrag zur Aufarbeitung der komplexen deutschen Kolonialgeschichte.
Begrüßung durch Henning Bleyl, Geschäftsführer der Heinrich-Böll-Stiftung Bremen. Einleitende Worte spricht Gudrun Eickelberg, Vorsitzende des Vereins „Der Elefant!“. In Kooperation mit der Landeszentrale für politische Bildung Bremen sowie der Rosa-Luxemburg-Stiftung Bremen.
Heinrich Böll-Stiftung Bremen E-Mail: kontakt@boell-bremen.de